Ein persönlicher Gewinn
Spannder Anlass «Gesund & freiwillig – warum Freiwilligenarbeit auch mir selbst gut tut»
Als Nebentätigkeit betreibt Maren Tromm den Podcast "Elternschokolade". Bild: Joel Dreier
Das alltägliche Leben als Elternteil zwischen Beruf, Haushalt und Familie kann schnell zum Dauerstress verkommen. Erziehungsexpertin Maren Tromm bot im Rahmen eines Vortrags im Spittelhof in Zofingen Lösungsansätze und zeigte auf, dass Kind und Elternteil vielleicht gar nicht so verschieden sind, wie sie immer scheinen.
Zofingen Der ganze Tag war schon ein einziges, riesiges Tohuwabohu. Die miserable Nacht wurde nur von einem langen, stressigen Tag auf der Arbeit getoppt. Und kaum fällt die Wohnungstür ins Schloss, bohrt sich ein liegengelassener Lego-Stein wie ein kalter Dolch in den Fuss. Im Wohnzimmer toben die Kinder auf ihrer Kissenfestung, während daneben die Stereoanlage in ohrenbetäubender Lautstärke Kinder-Hits zum Besten gibt. Lautstark fragen sie, wo denn ihre Turnsachen liegen und wann es denn endlich etwas zu essen gibt. Doch an Kochen ist für die Mutter im unaufgeräumten Chaos der Küche nicht zu denken. Nur eines ist klar: die Eskalation ist nahe.
Eine solche Situation ist für Maren Tromm, ihres Zeichens integrative Erziehungsberaterin und psychosoziale Beraterin, kein Novum. Im Gegenteil: Ihre beiden Kinder brachten sie in der Vergangenheit regelmässig an ihre eigenen Grenzen. «Ich weiss noch, wie ich in der Waschküche stand, schrie, heulte und dachte: Ich kann nicht mehr», berichtet sie aus dieser schwierigen Zeit. Doch schnell fand sie ihren Weg in einen Elternkurs. Die Thematik interessierte sie dermassen, dass aus dem Elternkurs so einige Ausbildungen und Diplome wurden. 2011 gründete sie zudem die «ElternSchatzkiste», welche Erziehungs-, Einzel- und Paarcoachings anbietet.
«Wir haben alle unterschiedliche ‹Inseln›», erklärt Tromm zu Beginn. Jeder habe verschiedenste Erwartungen, was genau wo und wie anzutreffen sei. Aber: die Bedürfnisse seien die gleichen. Es gelte, die Wichtigkeit dieser Inseln abzuwägen und festzulegen, wann die Kinder selbst über ihre Inseln entscheiden können.
Für viele Eltern wirke es fast so, als ob die Kinder taub wären, erzählt die Erziehungs-Expertin. Daraus würden viele die Schlussfolgerung ziehen, laut werden zu müssen. «Man liegt grundsätzlich falsch, wenn man denkt, Kinder würden immer ‹auf Empfang› laufen», erklärt Tromm. «So kommt der Mensch nicht auf die Welt. Kinder sind in erster Linie lustorientiert und voll und ganz im ‹Hier und Jetzt›.»
Die wichtigste Erkenntnis: dass der erwachsene Gegenpart gar nicht so anders ist. Man stelle sich vor, während der Sportschau von seinen Kindern aufgefordert zu werden, doch endlich mal die Steuererklärung auszufüllen – man würde genauso auf taube Ohren stossen. Dieses «Nicht-Hören» könne auch positiv interpretiert werden. «Sie sind in einem Flow, widmen sich ihren Interessen und am wichtigsten: Sie stehen für sich selbst ein.» Etwas, das viele Erwachsene nicht könnten.
«Wenn ein Kind konstant und immer gegen seinen Willen entscheiden muss, ist das auf Dauer nicht gesund», konstatiert Tromm. Natürlich schliesst das nicht aus, dass Eltern klare Leitplanken setzen. Ebenso müssten auch Erwachsene gelegentlich gegen ihre eigenen Wünsche handeln. «Auch ich räume mal die Spülmaschine aus», sagt sie mit einem Schmunzeln.
Weiter gibt es, so Tromm, vier grundlegende, psychische Bedürfnisse: Sicherheit, Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit und Akzeptanz.
Sicherheit sei für Kinder ein grosses Thema, da sie die Welt erst noch entdecken und vieles noch neu ist. Sie sehnen sich oft nach einem Fels in der Brandung – ein Gefühl, das Eltern vermitteln können.
Auch die Selbstwirksamkeit ist von grosser Bedeutung und geht Hand in Hand mit dem «Taubsein». «Kinder wollen wissen, dass sie etwas bewegen und selber entscheiden können – was vor allem in der Pubertät zu Konflikten führen kann.»
Essentiell für das Kindsein in der Familie ist auch die Zugehörigkeit. «Einfach dabei sein» reiche laut der Expertin Tromm jedoch nicht. Wenn beispielsweise ein gemeinsames Spiel mit dem Kind unterbrochen wird, etwa für eine Besprechung mit dem Partner, fühlt sich das Kind schon ignoriert und allein gelassen.
Der vierte Pfeiler und vielleicht der wichtigste: Akzeptanz. Gegenseitiges Verständnis für die Situation des anderen und dessen «Insel».
«Dass man als Elternteil oder Kind mal laut wird, ist vollkommen normal und darf auch sein», hält Tromm zum Schluss fest. Gleichwohl gilt es zu wissen, dass die Kinder in einem auch einen Ruhepol suchen – einen Kapitän, der das Schiff auch durch den Sturm führt. Und: bewusst und ruhig handelt, selbst wenn der Kahn einmal zu sinken droht.
Joel Dreier
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